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Kampf um einen würdigen Gedenkort in Torgau

„Dieses Sammelgedenken lehne ich ab. Die DDR hat vor allem Aktenberge hinterlassen und die Nazis Leichenberge.“Ludwig Baumann

Die sächsische Kleinstadt Torgau spielte in Ludwig Baumanns Leben eine zentrale Rolle. Im zentralen Wehrmachtsgefängnis wartete er nach seiner Desertion und Verurteilung 17 Monate lang in der Todeszelle auf seine Hinrichtung. Er wusste nicht, dass seine Todesstrafe in eine 12-jährige Zuchthausstrafe umgewandelt worden war. In Fort Zinna wurde Ludwig Baumann gefoltert und musste die Erschießung anderer Deserteure miterleben.

Seit den 90er Jahren kämpfte Ludwig Baumann für ein würdiges Gedenken an die Opfer der NS-Militärjustiz in Torgau. Da das Wehrmachtsgefängnis im Fort Zinna nach 1945 als Speziallager Nr. 8 genutzt wurde, beanspruchte die Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) diesen Ort für ihr Gedenken. Die VOS war im Beirat der Stiftung Sächsische Gedenkstätten stets in der Überzahl, stellte den Vorsitzenden und bestimmte das Gedenken vor Ort.

Im Jahr 1996 brachten Mitglieder der VOS auf dem benachbarten Friedhof eine Gedenktafel für den 1950-1955 in Fort Zinna inhaftierten „Engel von Fort Zinna“ Prof. Dr. Friedrich Timm an. Dieser vergab als Lehrstuhlinhaber für Gerichtsmedizin in Jena eine Doktorarbeit zur »Tätowierungsfrage« an den SS-Lagerarzt im KZ Buchenwald Erich Wagner. Wagner untersuchte im Rahmen dieser Arbeit 800 tätowierte KZ-Häftlinge auf ihre „rassische“ Abstammung, auf ihre soziale Herkunft und auf ihr soziales Verhalten. Seine Doktorarbeit weckte das Interesse von Ilse Koch, der Frau des Lagerkommandanten, was schließlich zur Herstellung von „Souvenirs“ aus tätowierter menschlicher Haut führte.

Nach der Gedenkstättenkonzeption des Bundes von 1999 soll Torgau Schwerpunkt der Erinnerung an die hingerichteten Deserteure im Dritten Reich werden. Aber seit der Neugestaltung der Dauerausstellung „Spuren des Unrechts“ im Schloss Hartenfels wird dieser Opfergruppe nur noch ein Drittel der Ausstellungsfläche gewidmet, obwohl Torgau der zentrale Ort ihrer Verfolgung war und hier mehr als 1.000 Deserteure hingerichtet wurden. Bei der auch von Joachim Gauck mitbetriebenen Überarbeitung wurden Ausstellungsteile zur NS-Militärjustiz entfernt. Außerdem werden die NS-Täter in der Ausstellung nicht klar benannt, obwohl viele der nach 1945 in Torgau Inhaftierten Mitglieder der Gestapo, des SD oder anderer Naziorganisationen waren.

Einen eigenen Gedenkort für die Opfer der NS-Militärjustiz hat die Vereinigung der Opfer des Stalinismus bis heute verhindert. Stattdessen wurde 2007 ein Gedenkort eingerichtet, der unter der Überschrift „Gedenkort für Opfer politischer Gewalt“ in aneinandergrenzenden und ähnlich gestalteten Gedenkbereichen jeweils an die Opfer der NS-Militärjustiz, der sowjetischen Geheimpolizei und der SED-Strafjustiz erinnern soll.

Diesen Gedenkort hat Ludwig Baumann stets kritisiert, weil er sich gegen jede Gleichsetzung des Naziregimes mit der DDR verwahrte. Er betonte immer wieder, dass „die DDR vor allem Aktenberge und die Nazis Leichenberge“ hinterlassen haben. Aber er lehnte das „Sammelgedenken“ auch ab, weil unter den Torgauer Opfern des Stalinismus auch zahlreiche Nazitäter waren, die an der Verfolgung der Wehrmachtsdeserteure mitgewirkt hatten.

Der Streit gipfelte darin, dass auf Initiative Ludwig Baumanns der Zentralrat der Juden in Deutschland und alle NS-Opferverbände den Beirat der Stiftung verließen und dies mit der Nivellierung von DDR- und Naziunrecht begründeten. Erst nach der Zusage, die Ausstellung zu überarbeiten und den Gedenkort für die Opfer der Militärjustiz umzugestalten, arbeiteten diese Opferverbände wieder im Stiftungsbeirat mit.

2010 wurde im Gedenkbereich für die zwischen 1933 und 1945 Verfolgten eine Figurengruppe aufgestellt. Aber auch danach konnte Ludwig Baumann keinen Frieden mit diesem Ort finden.

Bis heute engagiert sich die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz in Torgau für einen würdigen eigenen Gedenkort und für die zugesagte Überarbeitung der Dauerausstellung.

Ludwig Baumann

Gedenkort und Denkmal für die Opfer der Wehrmachtsjustiz (Foto: Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau)

Ludwig Baumann

(Foto: Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau)

Ludwig Baumann

Ludwig Baumann spricht in Torgau (Foto: Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau)

www.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de

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Diese Webseite wurde von Freunden und politischen Weggefährten des Bremer Wehrmachtsdeserteurs Ludwig Baumann aus Anlass seines 90. Geburtstages erstellt. Wir möchten allen Besucherinnen dieser Seite einen außergewöhnlichen Menschen vorstellen, den wir für seinen hartnäckigen, humorvollen und geradlinigen Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit sehr schätzen.